Andreas Faranski

-the timeless-piano-project-

Andreas Faranski war einer der weltweit besten Transporteure von Konzertflügeln. Auch piano duo setzte exklusiv auf seine unvergleichliche Expertise. Völlig unerwartet verstarb er im Mai 2022 kurz vor seinem 50. Geburtstag. Wenige Monate zuvor sprach ich mit Andreas über seine Leidenschaft für live-Konzerte, sein Gefühl für Klang und über den Unterschied zwischen einem Konzertflügel und einem Sack Kartoffeln.

Perfekt abgeliefert: Andreas Faranski mit einem seiner Schützlinge

Herr Faranski, so unterschiedlich unsere Aufgaben sind, so glaube ich doch, dass wir in gewissem Maße bei unserer Arbeit ein Schicksal teilen: In den seltensten Fällen ahnt das Publikum, wie aufwändig die Vorbereitung eines Ausnahme-Konzertflügels für einen Künstler bzw. eine Künstlerin ist. Und wahrscheinlich wissen noch weniger Menschen, dass ein besonderes Instrument meist nicht dauerhaft in einem Konzerthaus beheimatet ist, sondern – wie im Falle unseres piano duo Projektes – oftmals tausend Kilometer und weiter transportiert werden muss, um für ein Konzert oder eine Aufnahme bereit zu stehen. Was sagen Sie jemandem, der unser Interview jetzt liest und behauptet, dieser Aufwand wäre wohl etwas übertrieben?

Man muss sich die Frage stellen, warum die sehr guten Pianisten immer einen sehr guten Flügel spielen wollen. Das ist doch die Frage! Wenn in Hamburg, in Wien oder in Paris zehn Stück davon stehen: warum wollen sie keines dieser Instrumente spielen? Wenn sie keine andere Wahl haben, dann müssen sie auch auf einem schlechten oder unpassenden Flügel spielen, aber ich glaube, sie leiden darunter – weil sie nicht so spielen können, wie sie wollen; sie bekommen einfach nicht die Töne heraus, die sie sich vorstellen. Sie müssen improvisieren, um schöne Musik zu machen. Sie müssen improvisieren, damit das Publikum zufrieden ist. Und bei einem sehr guten oder sogar dem eigenen Instrument müssen sie das nicht. „Improvisieren“ heißt aber für mich nicht, dass sie etwas Falsches spielen – nein, Musiker wollen immer das Beste herausbekommen.

Das Instrument ist wie ein lebendiger Organismus – nicht nur ein Stück Holz.

Aber es ist unmöglich, auf einem schlechten Instrument so zu spielen und das herauszubekommen, was sie von dem eigenen Flügel gewohnt sind. Und der Pianist muss ja auch zufrieden sein – nicht nur das Publikum! Er muss ja auch ein gutes Gefühl haben und zufrieden sein mit seinem Spiel. Es ist einfach etwas Anderes, auf einem Ausnahmeinstrument zu musizieren: das Instrument ist wie ein lebendiger Organismus – nicht nur ein Stück Holz oder irgendein x-beliebiges Instrument. Und ich glaube, die Pianistinnen und Pianisten freuen sich auch darauf, im Konzert das eigene Instrument zu spielen – weil sie es von vorne bis hinten kennen. Sie wissen genau, wie sie spielen müssen und was sie überhaupt von ihrem Flügel erwarten und verlangen können – und das bekommen sie dann auch.

Ich erinnere mich noch ziemlich genau, wie ich auf Sie und Ihre Arbeit aufmerksam geworden bin: Vor einem Konzert in der Alten Oper Frankfurt fand ich einen Konzertflügel, für den ich seit vielen Jahren verantwortlich bin, und den ich kenne wie kein anderes Instrument, in einem völlig anderen Zustand vor, als ich es bis dahin gewohnt war: Musste ich vorher ein Instrument nach einem Transport erst einmal wieder mühevoll einfangen und bändigen, wie ein entlaufenes, verschrecktes Pferd, so stand es diesmal, um bei dem Bild zu bleiben, seelenruhig im Stall. Ich brauchte praktisch nur noch striegeln und aufsatteln. Nicht nur, dass ich dadurch wahrscheinlich weniger Arbeit hatte – das Ergebnis meiner Arbeit war und ist seitdem auf einem viel höheren Niveau. Können Sie mir erklären, was das Geheimnis eines guten Flügeltransportes ist?

Es ist eigentlich kein Geheimnis. Jemand, der einen Flügel transportiert, kann ihn transportieren wie eine Palette, wie einen Sack Kartoffeln. Oder aber, man kann das Instrument auch so betreuen, dass man sagt: „Okay, der Flügel ist ein Teil von mir und ich muss ihn so behandeln, als wäre er mein Eigentum“. Und da liegt der Unterschied zwischen Transport und Transport.

Kein Sack Kartoffeln: Ein Flügel kurz vor seinem Transport mit einem Kran. Foto: Thomas Gasser

Es fehlt oft das Gefühl für das Instrument. Es fehlt oft die Verbindung.

Wenn bestimmte Leute einen Flügel transportieren, dann erledigen sie ihre Arbeit. Von Punkt A nach B, nach C und so weiter. Aber wenn man das so betrachtet, wie ich es tue, dann sieht der Transport ganz anders aus: Ich bekomme meinen Lohn nicht dafür, einen Flügel von A nach B zu transportieren, sondern dafür, dass ein Instrument richtig angeliefert wird, das heißt, wenn der Klaviertechniker zufrieden ist und später auch der Pianist. Und dazwischen sind zwei Welten.

Wenn andere Transporteure das so empfinden würden wie ich, würden sie auch ganz anders transportieren. Aber es fehlt oft das Gefühl für das Instrument. Es fehlt oft die Verbindung. Und dann ist es nur eine Arbeit. Der Flügel ist da, fertig.

Sanfte Landung: in 50 Metern Höhe erreicht der Flügel sein Ziel, den Gutmann Pelletsspeicher in Hall in Tirol. Foto: Thomas Gasser

Aus unserer bisherigen Zusammenarbeit konnte ich lernen, dass alleine das Verpacken eines Flügels auf der Bühne nach dem Konzert bei Ihnen länger dauert als beispielsweise eine Fahrt von Hamburg nach Bremen oder von München nach Salzburg. Wenn Sie zum ersten Mal in einem Konzertsaal anliefern, was sind die Reaktionen der Organisatoren auf Ihren, sagen wir mal, etwas ungewöhnlichen Bedarf an Arbeitszeit?

Wenn ich irgendwo zum ersten Mal anliefere, in einer Philharmonie oder in einem Konzerthaus, dann fragt man mich immer: „Warum brauchen Sie solange dafür?“ Weil ich solange dafür brauche! Der Flügel muss ja schließlich vernünftig aufgestellt werden. „Aber die anderen, die machen das viel schneller. Da geht das zack, zack und dann sind die fertig!“ Bei mir geht das aber nicht „zack, zack, zack“! Bei mir muss auf alles aufgepasst werden. Nicht, dass der Flügel irgendwie nach unten knallt; nicht, dass der irgendwie ohne Beine geschoben wird [lacht] – Das haben wir auch schon erlebt!

Das Verpacken eines Flügels dauert länger als eine Fahrt von München nach Salzburg

Ich möchte mich auch nicht körperlich kaputt machen, weil ich die Arbeit noch längere Zeit machen möchte und ob das jetzt eine halbe Stunde dauert oder zwei Stunden, das spielt für mich gar keine Rolle! Aber das ist wohl der Unterschied: Bei mir dauert es länger, aber es passt. Ich werde genauso oft gefragt: „Warum haben Sie soviel Zeug im Auto, so viele Rollen und Werkzeug? Müssen Sie dies und das unbedingt haben?“ Da antworte ich: „Ja, ich brauche das unbedingt! Denn damit kann ich den Transport zur Not auch alleine machen.“ Und ich schmeiße den Flügel nicht aus dem Wagen! Er wird immer so transportiert, als wären zwei Leute dabei – auch dann, wenn ich alleine bin. Manchmal werde ich auch gefragt: „Sind Sie immer alleine?“ Und ich antworte: „Nicht immer. Manchmal hilft mir auch Aneta, meine Frau!“ [lacht]

Habe ich das jetzt richtig verstanden: Sie benötigen für den Transport eines drei Meter langen, 500 Kilogramm schweren Konzertflügels keine Hilfe?

Ich möchte besser so sagen: Wenn ich irgendwo ankomme, dann ist es für mich persönlich am besten, wenn mir niemand dabei hilft. Man soll mir nur die Tür aufmachen und mir zeigen, wo der Flügel aufgestellt werden soll. Ich brauche kein Publikum dabei und ich brauche keine Leute, die immer wieder alles besser wissen, weil sie das ja schon tausendmal gemacht haben.

Wann haben Sie damit begonnen, Konzertflügel zu transportieren?

Das war ungefähr 2003.

Wie kamen Sie auf diese ungewöhnliche Idee?

Es ist reiner Zufall gewesen. Ich habe über Bekannte einen Pianisten kennen gelernt. Der fragte mich, ob ich ihm helfen würde, seinen Flügel zu transportieren. „Ich habe das aber noch nie gemacht“, sagte ich ihm. „Ich auch noch nicht“, erwiderte der Pianist, „aber ich habe von jemandem gehört, dass das gar nicht so schwer ist“. Danach haben wir erstmal überlegt, wie wir das am besten machen sollten und haben uns ein paar Youtube-Videos angeschaut. Aber das, was wir dort sahen, schien uns so brutal! Wir dachten uns, so brutal sind wir doch gar nicht – da müssen wir schon am Anfang etwas verbessern! So hat die Geschichte angefangen. Und dieser Pianist hat mich dann weiter empfohlen, und so kam ich in diese Kreise.

Heute transportieren Sie Konzertflügel für viele der besten PianistInnen und jetzt auch exklusiv für unser piano duo Projekt. Wie läuft ein ganz normaler Transport bei Ihnen ab, zum Beispiel eines piano duo-Flügels nach Südtirol? Nehmen wir einmal an, der Pianist möchte um 19 Uhr proben und ich muss meine Arbeit gegen Mittag beginnen.

Wenn ich einen Auftrag bekomme, berechne ich erst einmal die Entfernung. In dem Fall der piano duo Flügel beginnt die Reise bei mir. Ich berechne aus den Kilometern die Fahrtzeit und muss noch zusätzlich Zeiten einplanen, falls etwas Unerwartetes passiert – Es kann ja auch ein Auto kaputt gehen. Zusätzlich muss ich mich absichern, dass mir im Notfall jemand dabei hilft, das Auto zu wechseln und das Ziel zu erreichen – auch um zwei Uhr nachts. Aus dieser Berechnung weiß ich, wann ich losfahren muss, damit ich im Idealfall einen Tag vorher im Konzertsaal ankomme. Denn nach dem Aufstellen sollte der Flügel noch 18 bis 20 Stunden Zeit haben, sich zu akklimatisieren, damit er sich beruhigt. Meistens läuft es so. Aber auf Tourneen, die wir ja auch mitfahren, haben wir nicht so viel Zeit zur Verfügung. Oft ist es dabei sehr schwer, mit dem nächsten Konzerthaus die Anlieferung zu organisieren. Wir können nach einem Konzert meist gegen 22 Uhr beginnen zu verpacken, aufzuladen, und den Flügel im Fahrzeug zu sichern. Das alles dauert circa 1,5 bis 2 Stunden, bevor wir losfahren können. Am besten ist es, wenn beim nächsten Ziel wenigstens jemand wartet, der uns die Tür öffnen kann – mehr verlange ich nicht. Leider hängt es oft an einer Person, die wir zwar eigentlich nicht brauchen, die aber erst die Genehmigung dafür geben muss, dass wir überhaupt in das Gebäude gelassen werden. Und diese Genehmigung ist oft ein Problem. Aber wenn alles klappt, wenn alles perfekt organisiert ist, ist das ein Abenteuer und eine Riesenfreude.

Manchmal werde ich auch gefragt: „Sind Sie immer alleine?“ Und ich antworte: „Nicht immer. Manchmal hilft mir auch Aneta, meine Frau!”

Andreas Faranski mit Ehefrau Aneta

Ihre Dienste sind gefragt. Teilweise weit über ein Jahr im voraus reservieren Veranstalter und PianistInnen bei Ihnen die Transporte. Sie haben das Privileg, dass Sie sich Ihre KundInnen aussuchen können. Ist es für einen ganz normalen Flügel-Besitzer überhaupt möglich, sein Instrument von Ihnen transportieren zu lassen?

Ja – wenn ich Zeit dafür habe und wenn wir uns auch gut verstehen. Für mich spielt es eigentlich nicht eine so große Rolle, ob ich für ein Konzerthaus arbeiten darf, eine Philharmonie oder einen bestimmten Pianisten oder eine Pianistin. Wichtig ist, dass unsere Erwartungen übereinstimmen. Und wenn wir beide zufrieden sind, dann sehe ich keine Probleme darin, auch für private Flügelbesitzer einen Transport durchzuführen.

Gibt es Anfragen, die Sie – abgesehen von terminlichen Gründen – ablehnen?

Ja! Und zwar viele! Wenn zum Beispiel ein hohes Risiko dabei ist und man sich denkt: „Hoffentlich geht das gut!“. Dann lehne ich besser ab, bevor ich mich ruiniere. Auch ist es für mich wichtig, dass es vor Ort mehrere Wege gibt. Und wenn der erste nicht funktioniert, dann nehme ich den nächsten oder sogar den übernächsten.

Was war der bisher verrückteste Transport, den Sie durchgeführt haben?

Eigentlich waren es schon viele verrückte. Einer der spannendsten Transporte war ein Transport nach Rumänien. Verrückt war das nicht, weil ich es ja schon immer machen wollte. Aber der Zeitdruck war enorm.

Als ich gehört habe, dass es zu einem Festival nach Bukarest gehen sollte, dachte ich mir: Ja, das ist es! Und als die Pianistin noch sagte, dass sie sich auch freuen würde, dort ihren eigenen Flügel zu spielen, war ich entschlossen: Dann machen wir das!

Wenn man über die Karpaten fahren soll – mit einem Flügel – dann wird’s schon echt interessant!

Alleine die Fahrt dahin! Dort ist noch eine andere Welt. Zum Teil sind die Straßen ausgebaut, zum Teil gibt es auch Autobahn. Aber wenn man über die Karpaten fahren soll – mit einem Flügel [lacht] – dann wird’s schon echt interessant! Man muss für die Fahrt einfach 24 Stunden mehr rechnen – Da kann so viel passieren! Und das Schönste war natürlich, als wir in Bukarest angekommen sind: Die Agentin zeigte mir den Saal und sagte, dass es keinen Aufzug gibt. Noch dazu musste ich ja während des laufenden Festivals anliefern! „Sie müssen die Treppen hochfahren, oder Sie können auch tragen – wie sie möchten! Aber passen Sie auf die Besucher auf!“

“Aber passen Sie auf die Besucher auf!” Andreas Faranski mit Helfern in Bukarest

Gerade Treppen zu fahren, ist relativ einfach, aber runde Treppen sind nichts zum Lachen, das ist richtig spannend! Diese geschwungenen Treppen waren so lang, als müsste ich in den dritten Stock fahren. Das war schon hoch spannend. Da dachte ich mir: Ja, das mache ich, das ist mein Ding! Ich hatte damals einen Kollegen dabei, und wir brauchten keine Kraft, aber wir waren beide durchgeschwitzt vor lauter Anspannung und Konzentration. Aber als wir angekommen sind, haben alle geklatscht. Die haben so etwas noch nie gesehen und man sagte uns, dass man das normalerweise dort mit sieben Männern macht.

…das kann ich bestätigen: die Qualität eines Transportes hat mit der Anzahl der Transporteure nichts zu tun – es sind auch schon Flügel mit acht Helfern die Treppe heruntergestürzt!

Ja! Ich glaube, man muss das gewisse Gefühl haben. Und wenn ich meine Arbeit mache und mal ein bisschen „menschlich“ bin, dann mache ich das in diesem Moment einfach nicht nur für Geld. Aber eine Arbeit auszuführen, dabei Geld zu verdienen und Spaß dabei zu haben – das ist ein Traum! Und ich glaube, das habe ich erreicht! Und deswegen versuche ich, meine Arbeit auf diesem Niveau zu halten – oder mich noch zu verbessern!

Ein Konzertflügel ist kein Leichtgewicht. Einmal unkontrolliert in Bewegung geraten, lässt sich die knappe halbe Tonne aus Holz und Gusseisen kaum noch einfangen. Die Instrumente sind beim Transport versichert, aber trotzdem oft unersetzlich. Sind Sie nervös, wenn Sie an Ihre Verantwortung denken, die weit über ein gelungenes Konzert hinaus geht?

Also, ich muss ehrlich sagen: ich bin immer aufgeregt! Das gehört einfach dazu. Routine hat in diesem Beruf nichts verloren! Wir haben schon bei mehreren Transporten gesehen, dass Flügel kaputt gegangen sind. Das war Routine! Die Transporteure waren gut, aber es war die Routine: „Wir haben das schon tausendmal gemacht!“. Keine Ahnung, woher das kommt, aber ich habe das Gefühl, dass ich immer einen gewissen Respekt habe. Als wäre es immer neu: eine neue Verantwortung, eine neue Herausforderung.

Niemals Routine: Andreas Faranski im Grazer Congress

Egal, wie lange eine Routine dauert – es reichen zwei Sekunden, und alle sind ruiniert.

Und da gehört eine Routine nicht hin. Und egal, wie lange eine Routine dauert – es reichen zwei Sekunden, und alle sind ruiniert: der Pianist, der auf einer Tournee seinen Flügel nicht spielen kann und das Instrument, das vielleicht unwiederbringlich zerstört ist. Und dann geht es überhaupt nicht mehr ums Geld. Was bringt das Geld, wenn der Pianist denselben Flügel nicht mehr hat und ihn wahrscheinlich auch niemals wiederbekommen wird?

Man lebt nur einmal – auch als Flügel. Aber trotz dieses Risikos: Solange man das Gefühl hat, man müsse vorsichtig sein, solange kann das auch gut funktionieren.

Hatten Sie schon eine Situation, in der es wirklich brenzlig wurde, ich meine, so haarscharf an einem Unglück vorbei?

[überlegt länger] Ja – auf der Autobahn. Es gibt immer verrückte Menschen. Jemand ist mir direkt vor den Wagen gefahren und ich musste eine Vollbremsung machen. Aber für mich geht Sicherheit immer vor, auch beim Sichern der Flügel. Und deshalb wurde tatsächlich nichts beschädigt, nichts! Der Flügel hat sich nicht einmal um drei Zentimeter bewegt! Wenn man sich vorstellt, dass ich den Flügel nicht richtig verzurre, der Gurt nicht der richtige ist oder die Befestigung im Wagen selbst nicht richtig vernietet ist, dann habe ich den Flügel auf der Autobahn!

Wie eingangs erwähnt, ist die Stabilität und die Ruhe der Instrumente nach einem Transport durch Sie enorm: damit man versteht, was ich meine: Lyon, 14. Februar, 5 Grad plus, Stimmhöhe 442 Hertz. Nächstes Konzert Hamburg, 2. Mai, 19 Grad. Dazwischen unzählige Treppen, Aufzüge, mehrmaliges Aufkanten, Aufstellen und Umladen. Und ca. 1200 zurückgelegte Kilometer. Tonhöhe in Hamburg vor dem Stimmen: 442 Hertz! Sie fahren in einem Jahr einen hoch sensiblen Flügel also Tausende von Kilometern durch ganz Europa, praktisch ohne nennenswerte Veränderungen. Wie wichtig ist, abgesehen von der Fahrsicherheit, der Fahrkomfort für das Instrument? Haben Sie spezielle Einbauten in Ihrem Wunderwagen?

Mein Wagen ist nicht nur Blech. Deswegen sind in meinem Fahrzeug die Wände so dick, weil sie gut isoliert sind. Deswegen habe ich auch eine Heizung im Laderaum. Deswegen dürfen die Türen während des gesamten Transports nicht aufgemacht werden! Ich habe auch ein Thermometer, damit ich genau weiß, dass ich permanent 19 bis 20 Grad im Laderaum habe. Und auch das Befestigen des Flügels im Wagen ist ganz wichtig. Wenn er nicht hundertprozentig fest ist, und er „zittert“ nur minimal, dann fühlt es sich für ihn an, wie für uns, als hätten wir den ganzen Tag mit einem Presslufthammer gearbeitet…Na gut, aber ich werde jetzt nicht alle meine Geheimnisse verraten [lacht].

Nicht nur Blech: Andreas Faranskis “Wunderwagen”

…auch gut – aber auch diesen Satz werde ich schreiben! …Wie viele Kilometer fahren Sie eigentlich durchschnittlich im Jahr?

Wenn alles super läuft und ich genug Stress habe, dann fahre ich so um die achtzig- bis hunderttausend Kilometer im Jahr. Deshalb müssen auch die Autos bei mir jedes zweite oder jedes dritte Jahr gewechselt werden.

Sie müssen also auch ein leidenschaftlicher Fahrer sein…

Ja, das muss man auch mögen! Aber ich habe während der Fahrt viel Zeit um nachzudenken. Ich kann meine Pläne machen, etwas organisieren, korrigieren und überlegen, was auf mich zukommt. Und wenn ich wieder zuhause bin oder im Hotel, dann brauche ich alles nur noch richtig sortieren. Ich nutze die Zeit – und ich habe meine Ruhe!

Apropos Leidenschaft: Sie besuchen oft die Konzerte, an deren Gelingen Sie mit Ihrer Arbeit beteiligt sind. Seit wann interessieren Sie sich für Klaviermusik?

Musik war für mich immer etwas Besonderes. Egal, ob es Klassik war oder Rock oder Blues oder Jazz oder was auch immer. Ich könnte niemals ohne Musik leben. Dadurch, dass ich jetzt mit Konzertflügeln unterwegs bin, habe ich mich in die klassische Musik verliebt. Ich habe sie näher kennen gelernt und immer mehr verstanden. Und deswegen hat mir das immer mehr Spaß gemacht und steht bei mir heute an erster Stelle. Aber das Schönste daran war, dass ich immer live dabei sein durfte! Das war der Hammer! Und dann habe ich ein Experiment gemacht: Ich habe einem meiner Helfer, der sich mit klassischer Musik etwas auskennt, im Radio etwas vorgespielt. Nach zehn Minuten hatte er genug davon und wollte etwas Anderes einschalten. Es war also scheinbar nicht so interessant für ihn. Anschließend habe ich ihn ins Konzert mitgenommen, wo wir zufällig das gleiche Stück live gehört haben. Der Kollege war völlig fasziniert und er sagte: „Klassik ist nicht Klassik. Man kann die Gefühle eines Konzertes nicht im Radio empfinden, an einem Gerät, sondern nur live. Von mir aus können sie noch drei Stunden lang spielen. Ich bleibe hier sitzen. Ich bewege mich nicht!“ Das hat er gespürt, und das ist der Unterschied! Warum das so ist? Ich denke, das hat etwas mit Gefühlen zu tun. Man kann sich mit Musik das Leben leichter machen oder sogar richtig genießen. Man kann anfangen zu träumen. Man kann anfangen, die Musik zu verstehen; Aber das, was live ist, kann – meiner Meinung nach – noch kein Gerät ersetzen. Das ist faszinierend. Wenn im Publikum tausend Menschen sitzen und nur einer sich räuspert, dann hören das alle, was man normalerweise gar nicht hören würde. Das Publikum ist so hoch konzentriert. Und deswegen ist diese Energie da.

“Was live ist, kann kein Gerät ersetzen.” Andreas Faranski besucht oft Konzerte

Spielen Sie ein Instrument?

Nein.

Wollten Sie keins spielen?

Doch, probiert habe ich schon [lacht] – aber ich bin noch nie so weit gekommen, dass ich sagen könnte, ich habe eins gespielt. Ich bin nicht dafür geboren. Ich denke, nicht jeder kann ein Pianist werden, nicht jeder kann ein Techniker werden und nicht jeder kann ein guter Transporteur werden. Wir alle haben eine gewisse Aufgabe im Leben, und, egal wie man deswegen angesehen wird, man muss sich in seiner Rolle gut fühlen. Denn diese Aufgabe ist auch wichtig.

Oft schieben wir beide einen Flügel die letzten Meter gemeinsam auf die Bühne, um dort den optimalen Platz für den besten Klang im Saal zu finden. Dabei habe ich feststellen dürfen, dass Sie ein ganz feines Gespür für den Klang eines Flügels, eines Konzertsaales, eines Pianisten oder einer Pianistin haben. Wo haben Sie diese Fähigkeit erlernt?

Ich glaube, das war der liebe Gott, aber von wo das genau kommt, das weiß ich nicht.

Aber Sie wissen, dass Sie diese Fähigkeit haben?

Ja. Aber es ist nicht meine Aufgabe, zu entscheiden, wo ein Flügel steht.

Wie würden Sie Ihren ganz persönlichen Lieblingsklang beschreiben?

[überlegt länger] Es gibt so viele Klänge und Töne, dass ich das nicht beschreiben kann. Ich weiß es nicht. Wenn ich aber dasselbe Klavierstück von zwei Pianisten live gespielt höre, dann weiß ich mit geschlossenen Augen: Dieser Klang ist mein Zuhause, das will ich hören! Während des Konzertes könnte ich diesen Klang beschreiben – jetzt kann ich das nicht.

Ich nehme an, dass Sie hauptsächlich mit Steinway-Instrumenten zu tun haben. Können Sie auch Flügel anderer Marken transportieren, oder gibt es da technische Unterschiede, auf die Sie nicht vorbereitet sind?

Nein, eigentlich nicht. Ich könnte auch andere Marken transportieren – nur habe ich dafür keine Zeit.

Apropos Unterschiede: Unser piano duo Projekt verwendet zwei Steinways aus unterschiedlichen Jahrzehnten, man könnte auch sagen, aus zwei Jahrhunderten. Stellen Sie beim Transport einen Unterschied fest? Sind die beiden Flügel unterschiedlich, zum Beispiel in der Form oder im Gewicht?

Ja. Alte Flügel sind schwerer. Und wenn sich die Technik weiterentwickelt und jede Schraube oder jedes Teil nur etwas leichter wird – dann macht das bei tausend Teilen schon einen Unterschied.

Eine weitere Parallele in unseren so verschiedenen Tätigkeiten ist der Mangel an Top-Qualität im Top-Segment des Konzertbetriebs. Soll heißen: Wie großartig die Instrumente auch immer gebaut werden – sie in dieser Qualität zu den PianistInnen zu bringen, ist eine ganz andere Herausforderung. Was glauben Sie, woran liegt es, dass es viele gute Transporteure gibt, aber wenige exzellente?

Das ist schon wieder der Punkt, den ich bereits erwähnt habe: Es kommt darauf an, ob man etwas macht oder ob man etwas mag. Das ist der Unterschied. Das kann man alles lernen, es ist ja keine Zauberei. Aber man muss es auch lernen wollen.

Bei allem in der heutigen Zeit spielt das Geld eine Rolle: Man will immer, dass es billig ist. Glauben Sie, dass diese Geiz-ist-geil-Mentalität auch dazu führt, dass man keine Menschen findet, die sich mit dem Beruf des Flügel-Transporteurs identifizieren und ihn mit Begeisterung und mit Leidenschaft ausüben?

Es gibt schon Menschen, die diesen Beruf gerne machen würden. Aber die wollen nicht selbständig sein, die wollen keinen Papierkram machen, dies nicht machen und das nicht. Die wollen nur transportieren. Aber das funktioniert nicht! Und schon wieder merkt man die Grenze, wo man denkt: Er könnte sehr gut sein, aber irgendwie will er das nicht. Er könnte als Selbständiger dasselbe verdienen, was er jetzt für jemand anderen erarbeitet, aber dann hat er nicht nach acht Stunden seine Ruhe. Und da ist der Unterschied: 9 Stunden oder vielleicht 18 Stunden – für das gleiche Geld. Meine Meinung ist: Ich kann vielleicht weniger Geld haben, aber dafür erlebe ich viel mehr, als alle anderen. Vielleicht werde ich nicht so lange leben – doch für das, was ich erlebt habe, brauchen andere Menschen zwei oder drei Leben. Aber viele schätzen das gar nicht; Sie wissen es nicht und wollen es auch nicht wissen.

Glauben Sie, dass es genug Menschen gibt, die eine hohe Qualität beim Transport honorieren und wertschätzen würden? Ist der Markt für Qualität überhaupt da?

Ja, der Markt ist da! Auf jeden Fall! Aber es hängen auch immer Leute dazwischen, die diese Qualität eben nicht wertschätzen, sondern sagen: „Ach, so viel Geld! Das können wir doch lieber mit einer anderen Firma machen, die machen das genauso!“ Nur die Pianisten merken den Unterschied von meinem Transport im Vergleich zu anderen. Aber diejenigen, die vermitteln, organisieren und die Preise vergleichen, merken den Unterschied nicht, sie müssen ja nicht auf dem Flügel spielen. Für die ist das alles dasselbe – außer eben im Preis, der bei mir höher ist.

Wie könnte man diese Lücke schließen?

Es könnten so viele gute Transporteure sein. Und es gibt so viele, die diese Arbeit gerne machen würden. Aber die haben keine Chance, Geld zu investieren in ihre Ausrüstung und in ihre Ausbildung. Sie können es sich einfach nicht leisten. Weil es Vermittler gibt, Auftraggeber, die einen Transport nur billig haben wollen und nicht auf den Unterschied in der Qualität achten. Das mag bei einem Klavierhocker vielleicht egal sein, aber nicht bei einem Flügel.

Jetzt könnte es Ihnen eigentlich völlig egal sein, für wen und zu welchem Anlass Sie einen Flügel transportieren. Trotzdem die Frage: Wie beurteilen Sie unser piano duo Projekt?

Ich finde das Projekt super, weil piano duo nicht an bestimmte Künstler oder an eine bestimmte Musikrichtung gebunden ist. Und weil es auch neue, junge Talente unterstützt.

Wir sind bereit, ein Abenteuer zu erleben! Hauptsache, die Qualität stimmt!

Egal, wohin der Weg führt: Die Kunden sollen zufrieden sein – und wir auch!

Feines Gespür für den Klang eines Konzertsaals: Andreas Faranski in der Hamburger Elbphilharmonie

Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft des klassischen Konzertbetriebes?

Dass der Musikbetrieb so bleibt, wie er ist und nicht weniger wird. Und dass es für junge Künstler nicht immer noch schwieriger wird sich durchzusetzen. Wir sollten uns immer bewusst machen, dass die Künstler das Geld verdienen für uns alle, die wir für sie arbeiten. Und wir sollten erkennen, wie wichtig Musik in unserem Leben ist.

Herr Faranski, vielen Dank für das Gespräch!