Till Dönch

-the timeless-piano-project-

Till Dönch ist seit vier Jahrzehnten im Musikmanagement in Wien tätig. Von ihm erfahre ich Unbekanntes über seine Agenten-Tätigkeit und ich enttarne geheimnisvolle Parallelen zu seinem berühmten Kollegen James Bond: Sein weltweites Netzwerk, Bond-Girl Ursula Andress und die Agentenstadt Wien; Die Faszination für schnelle Autos und der Reiz, „undercover“ zu arbeiten…

Herr Dönch, es gibt bisher gut zwei Dutzend James Bond Filme. In keinem wurde meines Wissens wirklich genau beschrieben, wie „007“ zum Agenten wurde. Vielleicht können Sie heute für uns Ihr Geheimnis lüften: Wie sind Sie Agent geworden?

Oh je! Das war nicht so spannend wie bei James Bond, muss ich sagen. Es war vollkommen banal. Ich bin aufgrund schulischer Misserfolge, extremer schulischer Misserfolge, gezwungenermaßen von meiner Geburtsstadt Salzburg nach Wien übersiedelt. Da war ich 18 und ich habe dann hier versucht, die Matura nachzuholen, was mir nicht gelang. Zwei Fächer habe ich leider ausgelassen. Und es war mir dann wirklich zu blöd und ich habe mir gedacht: jetzt will ich arbeiten und Geld verdienen. So bin ich dann sukzessive über eine Regieassistententätigkeit bei einer deutschen Tournee-Theater-Produktion hineingerutscht in diese ganze Welt. Und in weiterer Folge habe ich dann „auf der anderen Seite“ gearbeitet, sprich: bei Veranstaltern. Das war zuerst ein Festival, das nannte sich damals „Musikalischer Sommer in Wien“ und dessen Nachfolger wurde dann der „Klangbogen“. Das hat mir wirklich irrsinnige Freude bereitet. Ich war zusammen mit einem Kollegen für die Vorbereitung und die Logistik zuständig. Und in Folge dessen haben wir intensiv vor allem mit der in Wien ansässigen Agentur „Raab und Böhm“ zusammengearbeitet. Und Dr. Böhm, mit dem ich mich sehr gut verstanden habe, hat mich dann nach zwei Jahren gefragt, ob ich nicht Lust hätte, in die Agentur zu wechseln.

Und so hat meine „James Bond“-Tätigkeit begonnen. Wobei ich auch ein bisschen vorbelastet war, weil mein Vater Sänger war und zu der Zeit auch noch Direktor an der Wiener Volksoper. Es war aber für mich immer klar, dass, sollte ich das Angebot annehmen, ich nur im Konzertbereich arbeiten würde. Denn wissend, mit welch „zarten Pflänzchen“ man dort zu tun hat, war es für mich ganz wichtig, nicht in der Sängerabteilung der Agentur zu landen.

Denn wissend, mit welch „zarten Pflänzchen“ man dort zu tun hat, war es für mich ganz wichtig, nicht in der Sängerabteilung der Agentur zu landen.

Was ist für Sie der Reiz Ihres Berufes, von dem viele Menschen nicht einmal wissen, dass er überhaupt existiert?

Richtig! Und das ist schon ein guter Punkt! Und darüber bin ich sehr froh! Der Reiz des Berufes ist zum Einen, die Kommunikation, das Bindeglied zwischen den beiden Polen, zwischen Künstlern und Veranstaltern, zu sein. Es geht ja nicht nur darum, Termine zu fixieren und Honorarverhandlungen zu führen. Es geht ja in weiterer Folge um Vereinbarung der Proben und dem, was sich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Konzert abspielt. Und das ist unglaublich reizvoll und vielfältig.

Und zum Anderen ist der Reiz, dass man eben im Hintergrund ist und die anderen oft nicht wissen, was man tut. Und das ist mir sehr recht. Nicht, weil das jetzt so geheimnisumwoben ist. Es mag jetzt vielleicht nach Understatement klingen, aber es ist einfach schön und macht mir Freude, im Konzert zu sitzen und meinem Künstler, meinem Orchester oder meinem Ensemble zuzuhören und dabei einer aus dem Publikum zu sein. Auch hier komme ich noch einmal auf die Sängerwelt zu sprechen: da ist das schon anders. Da weiß ich schon von einigen Kollegen, und das ist auch vollkommen ok so, dass die schon sehr nah dabei sind und ständig beim Künstlerzimmer stehen und ständig durch die Welt reisen. Ist in diesem Metier auch wahrscheinlich wichtiger… Ich aber mag das nicht so.

Sie arbeiten also, um wieder eine Parallele zu James Bond zu finden, lieber im Hintergrund…

…undercover!

Bürotätigkeit par excellence: der Reiz, dass man eben im Hintergrund ist ....

...und die anderen oft nicht wissen, was man tut.

Wie können wir uns Ihren Alltag vorstellen, was sind Ihre Aufgaben?

Beim „Alltag“ muss man grob unterscheiden zwischen dem Alltag im Büro in Wien, der fast ein normaler Büroalltag ist, und meinen Reisen. Soll heißen, mein Arbeitstag im Büro beginnt um 8 Uhr in der Früh und endet gegen 6 Uhr am Abend. Das ist wirklich Bürotätigkeit par excellence: Telefonate und mehr und mehr E-Mails, was mir ein bisserl Leid tut. Der andere Teil meines Tages sieht so aus, dass ich am Abend in Konzerte gehe.

Und dann gibt es die andere Seite meines Alltags, nämlich, wenn ich unterwegs bin. Soll heißen, dass ich zu einem Konzert meiner Künstlerinnen oder meiner Künstler fahre. Sei es innerhalb Österreichs oder über die Grenzen hinaus. Oder, wie im Falle von Till Fellner, dass ich bemüht bin, zumindest in zweijährigen Abständen nach Amerika zu fahren, oder wohin auch immer. Auf solchen Reisen gestaltet sich der Alltag gezwungenermaßen ganz anders. Wenn man mit dem Laptop im Hotel sitzt, aufgrund der Zeitverschiebung zu anderen Zeiten, und vor Ort versucht, Gespräche mit Veranstaltern zu führen. Oder man trifft Freunde, die man über die Jahre gewonnen hat und pflegt soziale Kontakte. Das sind so die beiden „Alltagsschienen“. Wobei der reine Büroalltag wirklich einen Großteil der Zeit einnimmt.

Zum Verständnis: Sie sitzen im Büro, das Telefon klingelt. Es gibt eine Anfrage, meistens – so verstehe ich das – zu einem bestimmten Künstler? Oder wird auch Ihr Rat eingeholt, dass man z.B. fragt: „Herr Dönch, wen könnten Sie uns empfehlen, wen haben Sie in ihrem Portfolio?“

Ja, ich würde sagen, dass der Hauptteil meiner Arbeit die „Knochenarbeit“ ist, das „Von-mir-aus-aktiv-Werden“, der darin besteht, meine Künstler und deren Programme anzupreisen. Ich bin ein Ein-Personen-Büro.

"Ich bin ein Ein-Personen-Büro."

„Hast du nicht einen Pianisten, hast du nicht ein Streichquartett, das nächste Woche spielen kann?“

Soll heißen, dass mein Fokus auf Österreich liegt. Da sich hier so viel tut, ist die Situation durchaus angenehm, weil man die Veranstalter über Jahre und Jahrzehnte hinweg kennt. Manchmal treten die Veranstalter, das ist aber meist in Notfällen, an mich heran und fragen: „Hast du nicht einen Pianisten, hast du nicht ein Streichquartett, das nächste Woche spielen kann?“ Daraus ergibt sich dann ein gewisser Automatismus: Ist der Künstler frei? Wenn er frei ist, was für ein Programm kann er spielen? Und das geht dann bis hin zu den Honorar-Vereinbarungen.

Welche besonderen Fähigkeiten muss ein Musikagent, ein Künstlermanager, besitzen?

Er muss allen Seiten gegenüber eine große Empathie an den Tag legen. Das ist jetzt meine persönliche Meinung. Ich besitze einfach eine Kommunikationsfähigkeit. Ich mag es einfach, wenn man die Veranstalter und die Künstler in einer Zusammenarbeit zusammenbringt. Und nicht den Herrschaften vorgibt: „Der Künstler ist an diesem Termin frei und spielt dieses Programm. Friss oder stirb, Vogel!“ Ich glaube, es ist einfach viel lohnenswerter für alle, wenn man Verständnis für alle Seiten aufbringt. Geduld ist auch ein ganz wichtiger Punkt. Vor allem bei den Veranstaltern ist es immer wieder der Fall, dass man versucht, über den Agenten drüber zu fahren und zu sagen „Der oder die muss mir das spielen!“. Ich glaube einfach, dass man durch Empathie und das Eingehen auf den Veranstalter viel mehr erreichen kann. Und ich glaube, dass das auch ein bisserl ein Geheimnis des Erfolges meiner langjährigen Tätigkeit ist.

Friss oder stirb, Vogel!

Dass ich immer versucht habe, die Leute zusammen zu bringen. Und es hätte mich vermutlich auch nicht ausgefüllt, hätte ich das Sekretariat eines einzigen Künstlers. Denn dann ist es die Verwaltung eines Kalenders. Das wäre nicht Meines. Ich bin auch immer bemüht, dem Künstler die letzte Entscheidung zu überlassen, auch, was das Programm betrifft. Ich würde mir nicht anmaßen zu sagen: „Du, dieses oder jenes Stück würde vielleicht besser passen“, oder „machen wir den Veranstalter doch glücklich, indem wir ihm dieses oder jenes anbieten“. Das ist etwas, was mir wirklich nicht zusteht, finde ich.

Ist die zunehmende Digitalisierung in der Musikbranche eine Herausforderung für Ihren Berufsstand? Es gibt doch bereits Plattformen, auf denen man sich einen Musiker „bestellen“ kann…

Ja, das ist eine Herausforderung, ich muss aber wirklich gestehen, dass mich die Digitalisierung nicht mehr so tangiert. Es ist aber wohl eher für diejenigen Kolleginnen und Kollegen eine Herausforderung, die jetzt eine Agentur aufbauen wollen.

Ich habe wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich groß geworden bin, auf einer anderen Basis kommuniziert. Gleichzeitig nehme ich mich bei der Nase und gestehe: Ich bin erschütternd schlecht mit allen sozialen Medien! Facebook, Instagram, TikTok und wie sie alle heißen, interessieren mich nicht. Ist sicher ein Fehler, und ich bewundere meine Künstler, vor allem die jungen, die darin viel affiner sind. Aber auch dabei kann man es übertreiben.

Ich bin erschütternd schlecht mit allen sozialen Medien! Facebook, Instagram, TikTok und wie sie alle heißen, interessieren mich nicht.

Es läuft sich tot und wird langweilig, wenn du 20 Fotos vom Abendessen nach dem Konzert hast. Und das stört mich schon ein bisschen, weil das eigentlich Essenzielle in den Hintergrund tritt: „Ich, Künstler X, bin im Dienste des Komponisten!“ Das mag wie eine große Banalität erscheinen, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass mehr der Selbstzweck im Vordergrund steht.

Hat diese Selbstvermarktung zugenommen?

Ich glaube, ja! Weil einfach das Optische mehr und mehr überhandnimmt. Das ist eine Entwicklung sicher der letzten 20 Jahre.

Schauen Sie sich Fotos von Alfred Brendel, Walter Klien, von Wilhelm Backhaus an. Jetzt habe ich lauter Männer genannt, aber noch auffälliger ist es bei den Damen. Wenn ich mir heute Künstlerfotos anschaue, frage ich mich schon, ob es wichtiger ist, dass Künstlerinnen Stöckelschuhe anhaben, als wie sie musizieren. Es mag ja ganz originell sein, aber oft sind ja die Künstler, sowohl weiblich als auch männlich, heute auf Fotos gar nicht mehr mit ihrem Instrument abgebildet, sondern einfach nur noch als Modell.

Ich frage mich schon, ob es wichtiger ist, dass Künstlerinnen Stöckelschuhe anhaben, als wie sie musizieren.

Ich erinnere mich gerade an einen Ausspruch von Annemarie Schindler in unserem ersten Gespräch: „Es gibt heute mehr Zirkus im Konzert. Es ist spektakulärer geworden, aber es ist deswegen nicht besser geworden…“

Ja, richtig! Absolut!

…und sie sagte weiter: „Es gibt keinen Rubinstein mehr. Aber zum Glück gibt es noch Künstler wie, unter anderen, Beatrice Rana.“

Ja, genau! Und das ist ja auch die große Kunst. Und da zeigt sich eine wahre Könnerschaft, wenn Künstler auf der Bühne stehen, sitzen oder was auch immer sie tun und das Publikum ohne großes Brimborium zu fassen bekommen. Ich liebe solche Momente, wenn die Leute so ergriffen sind, dass es im Saal wirklich totenstill ist.

Nach einem gelungenen Konzert denkt vermutlich kaum noch jemand daran, wieviel Arbeit und vielleicht auch Ärger es bei der Organisation gegeben hat. Was sind die größten Herausforderungen, wenn es darum geht, eine Künstlerin oder einen Künstler erfolgreich an einen Veranstalter zu vermitteln?

Das ist nämlich genau das Stichwort: nach einem Konzert! Oft ist es so, dass es gar nicht so schwer ist, eine Künstlerin oder einen Künstler zum ersten Mal an einen Veranstalter zu vermitteln. Anders schaut es bei der Wiedereinladung aus. Damit habe ich oft ein Problem. Das geht aber nicht nur mir so, sondern ich kenne das aus vielen Gesprächen mit meinen Kolleginnen und Kollegen. Die Veranstalter sagen den Künstlern oft in ihrer Euphorie nach einem erfolgreichen Konzert: „Ja! Sie müssen unbedingt wiederkommen! Wir müssen was zusammen machen!“. Und dann ist es unsere Aufgabe als Agenten, das weiter zu verfolgen – und es passiert nichts! Wir telefonieren, wir schreiben, wir fragen. „Wie ist das, Sie haben doch gesagt…“ Und? Null! Warum das so ist? Weil bei großen Veranstaltern am nächsten Tag schon wieder ein großes Konzert stattfindet! Dann ist das Angebot von gestern „aus den Augen, aus dem Sinn“!

Aber eine noch größere Herausforderung ist es überhaupt, junge Künstler zu vermitteln. Und es gibt dabei beinahe keinen Unterschied, ob es sich um einen kleineren oder größeren Veranstalter handelt.

Junge Künstlerinnen und Künstler den Veranstaltern „schmackhaft“ zu machen oder überhaupt so zu präsentieren, dass der Veranstalter sagt: „Ja, das ist genau der- oder diejenige, die ich nächstes Jahr verpflichten will. Das muss man sehr individuell machen.

Wir telefonieren, wir schreiben, wir fragen: „Wie ist das, Sie haben doch gesagt…“ Und? Null!

Denn ein Konzertveranstalter in Zell am See, der eine kleine, sehr feine Sommer-Serie hat, hat völlig andere Ansprüche oder Erwartungen, nicht nur finanzieller, sondern auch programmatischer Natur, als der Wiener Musikverein, das Konzerthaus oder die Stiftung Mozarteum in Salzburg.

Welche Rolle spielen bei diesem „Schmackhaft-Machen“ „Modell-Fotos“ und CDs?

Ich merke zu meiner Freude, dass die Veranstalter sich nicht so sehr blenden lassen von sexy Fotos oder Hochglanz-Foldern. Vor allem die kleinen Veranstalter. Natürlich verstehe ich auch, warum solche Fotos gemacht werden – weil man sich als Künstler den Zeiten entsprechend präsentieren will. Der Schuss kann aber nur nach hinten losgehen. Ich glaube auch inzwischen nicht mehr an das Allheilmittel der CD als Visitenkarte! Denn leider ist es so, dass sich kaum noch ein Veranstalter oder Orchesterintendant die Zeit nimmt, eine CD anzuhören. Ich sehe das ja oft, wenn ich dann bei Gesprächen in deren Büros sitze, dass sich die CDs stapeln! Klar! Die können sich auch gar nicht alles anhören.

Ich glaube auch inzwischen nicht mehr an das Allheilmittel der CD als Visitenkarte!

Die bekommen ja nicht nur von mir und meinen österreichischen Kollegen, sondern aus aller Welt Aufnahmen zugeschickt und jeder Agent sagt: „Und mein Künstler ist der Allerbeste!“.

Es kommt wohl auch die Persönlichkeit auf einer CD oder einem Video-Clip nicht so rüber, wie live in einem Konzert. Ich kann mir vorstellen, dass ein Mensch, egal wie gut er auch immer Klavier spielt, mit seiner Persönlichkeit auf einen Veranstalter oder das Publikum irritierend wirken kann – und allein deshalb nicht gebucht wird…

…guter Punkt! Aus diesem Grund kann auch keine Live-CD ein Live-Konzert ersetzen!

Gab es bei Ihnen schon Situationen, in denen Sie bis zur letzten Minute nicht sicher waren, ob das Konzert überhaupt stattfinden würde?

[überlegt länger] Nein! Bis zur letzten Minute nicht, daran könnte ich mich jetzt wirklich nicht erinnern. Auch nicht durch eine plötzlich eintretende Krankheit. Das war dann schon immer mindestens zwei Tage vorher. Ich hatte mal eine hochgradig unangenehme Geschichte auf einer Fernost-Tournee mit dem Budapest Festival Orchester. Dort sind aufgrund politischer Wirren plötzlich sehr kurzfristig zwei Konzerte ausgefallen und man musste alles umbuchen. Die ganze Rückreise, die Hotels, alles – das war wirklich ein Albtraum.

Haben Sie eigentlich für brenzlige Situationen immer noch ein Ass im Ärmel, mit dem Sie die Veranstalter doch noch überzeugen können?

Gute Frage! Ja! Hätte ich! Die Frage ist nur, ob der Veranstalter genauso denkt. Da ist natürlich jede Agentur, die ein riesiges Portefeuille mit einer großen Künstlerliste hat, besser dran. Bei mir handelt es sich um vielleicht eine Ersatz-Idee. Was mir Leid tut ist, dass die Veranstalter oft nicht sehr risikofreudig sind. Es wäre schön, einem jungen Künstler dann die Chance zu geben. Vielleicht sehe ich das jetzt zu blauäugig, aber was kann man verlieren? Das Konzert ist ja bereits verkauft.

Natürlich, das Publikum wird enttäuscht sein, dass es nicht den Künstler hört, wegen dem es gekommen ist. Aber es kann doch genauso gut eine völlig neue Tür aufgehen, indem jemand anderer, von dem oder der man bis dato vielleicht noch nichts gehört hatte, ein großartiges Konzert spielt.

Aus diesem Grund kann auch keine Live-CD ein Live-Konzert ersetzen!

Gibt es Kriterien, nach denen Sie Ihre Künstler aussuchen?

[überlegt länger] Nein…nein. Also Kriterien…Ich muss auch dazu sagen, „aussuchen“ wäre sehr vermessen. Großteils war es so, dass ich auf Künstler und Künstlerinnen, die ich vertrete, durch Empfehlung anderer Künstlerpersönlichkeiten oder Kollegen aufmerksam gemacht wurde. Es gibt natürlich schon dieses sogenannte Bauchgefühl, wenn man den Künstlern zum ersten Mal beim Gespräch im Kaffeehaus oder wo auch immer, gegenübersitzt und auslotet, ob es eine Zusammenarbeit geben könnte.

Dann gibt es schon ein Kriterium, das ich nicht erklären kann, ob man sich sympathisch ist oder nicht. Und dadurch trennt sich ganz schnell einmal die Spreu vom Weizen. Aber es gibt offensichtlich Künstlerinnen und Künstler, die oft eine derartige Überheblichkeit an den Tag legen, dass man denkt: das weiß ich jetzt schon, das passt nicht. Und, toi, toi, toi, ich bin wirklich mit all meinen Schützlingen gut gefahren!

Aber es gibt offensichtlich Künstlerinnen und Künstler, die oft eine derartige Überheblichkeit an den Tag legen, dass man denkt: das weiß ich jetzt schon, das passt nicht.

Wir haben vorhin über CDs gesprochen und darüber, dass sie heute eigentlich keine Visitenkarte mehr sind, weil sie von den Veranstaltern eh nicht angehört werden. Noch einmal Hand aufs Herz: Haben Sie jemals einen Ihrer Künstler nach dem Anhören einer Aufnahme angenommen oder abgelehnt?

Nein! Nie! Ich habe mir nur CDs angehört in den Fällen, die nicht unmittelbar mit meinem Metier zu tun haben, damit ich überhaupt eine Idee bekomme. Da gibt es in den letzten Jahren zwei Beispiele. Das eine ist die Anoushka Shankar. Ich habe ihren Vater, Ravi Shankar, mal vor Jahren beim Dubrovnik-Festival gehört, und das hat mich irrsinnig fasziniert.

Aber ich habe doch keine Ahnung von ihrem Instrument, der Sitar! Da habe ich mir schon eine CD angehört, um überhaupt zu wissen: was mach die Frau Shankar, wie klingt das. Geht das eher Richtung Pop oder ist das etwas, was zu mir passt. Aber sonst habe ich das nie gemacht.

Ich habe wahrscheinlich einen 08/15-Geschmack.

Es ist so heikel: ich selbst habe nie ein Instrument erlernt und gespielt. Ich würde mir nicht anmaßen, aufgrund des Anhörens einer CD die Qualität eines Pianisten oder eines Geigers zu beurteilen. Ich kann nur sagen, ja, es gefällt mir. Aber ich habe wahrscheinlich einen 08/15-Geschmack.

Sie verfügen sicherlich über ein gut funktionierendes Netzwerk…

Bei weitem nicht so gut, wie es eigentlich sein sollte. Mein Fokus liegt aber auf Österreich, und da kann ich mich wirklich nicht beklagen. Da bin ich gut und es funktioniert. Und dann gibt es ein anderes Netzwerk, das ich schon sehr hege und schätze: Mir ist es sehr sympathisch, mit Kollegen im Ausland zusammen zu arbeiten. Was heißt das konkret? Nehmen wir das Beispiel Till Fellner, für den ich bereits ewig und drei Tage im Generalmanagement tätig bin: Ich habe in den einzelnen Ländern sogenannte Local-Managements, das heißt, Till Fellner hat in Deutschland, in Frankreich, in Spanien, in den Vereinigten Staaten, in Japan und so weiter jeweils ein eigenes Management. Ich kenne doch die Veranstalter in Japan nicht. Und die kennen mich nicht. Und das ist das Netzwerk, auf das ich zurückgreife und das ich schon sehr mag.

Sie leben und arbeiten in Wien, für viele die Musikhauptstadt Europas, mit einem nahezu unerschöpflichen Konzertangebot mit großartigen MusikerInnen. Ist das für Ihre Arbeit eher Fluch oder Segen?

Segen! Ich kann mir – frei nach Mozart – für mein Metier keinen besseren Ort vorstellen. Ich könnte mir London nicht vorstellen. Oder Paris. Oder New York, eine Stadt, die ich liebe. Wien ist einfach genial.

Wien ist einfach genial. Allein aus reiner Bequemlichkeit, denn es kommen eh alle nach Wien.

Allein aus reiner Bequemlichkeit, denn es kommen eh alle nach Wien. Sowohl die Künstler als auch die Agenten, und man trifft sich halt hier im Kaffeehaus. Ich muss nicht nach Hannover fahren oder nach Berlin – ich setz´ mich auf die Vespa oder aufs Fahrrad und fahr´ in die Stadt.

Ich stelle mir vor, dass Sie jetzt viele unserer LeserInnen beneiden und denken: „Wie wunderbar! Herr Dönch darf jeden Abend ein schönes Konzert besuchen!“ Stimmt das, oder sind die Konzerte für einen Profi wie Sie eher berufliche Verpflichtung und Routine?

Nein, also Routine keinesfalls. Dazu ist es auch zu vielfältig. Es ist auch keine Verpflichtung. Es macht mir wirklich Freude. Wobei ich schon unterscheide: Ich bin viel entspannter, wenn ich mit einer Veranstaltung nichts zu tun habe. Ich setz mich rein und freue oder ärgere mich über Sänger oder Dirigenten oder wen auch immer

Ich bin viel entspannter, wenn ich mit einer Veranstaltung nichts zu tun habe.

Aber es ist auf jeden Fall wunderbar. Wenn ich selber involviert bin, dann ist immer eine gewisse Anspannung da, auch wenn es immer eine positive Anspannung ist, weil ich bestimmt in 90% Prozent der Fälle beseelt aus dem Konzert komme.

Was schätzen Sie, wie viele Konzerte haben Sie bereits gehört?

Das ist jetzt echt schwierig! Hilfe! Ich weiß es nicht… Einhundert im Jahr könnte schon hinkommen…und das Ganze mal vierzig. Ja, eben, dann kommen wir auf ca. 4000 Konzerte…

In einem voran gegangenen Interview hat Annemarie Schindler von den ganz seltenen Sternstunden bei Konzerten gesprochen. Wie viele dieser Sternstunden haben Sie erlebt?

Also, diese wirklichen Sternstunden kann ich vermutlich an einer…bis eineinhalb Händen abzählen. Die gab´s. Aber nur sehr wenige.

Können Sie sich noch an eine solche Sternstunde erinnern?

Ich nenne nur ein Beispiel: Der Beethoven-Zyklus vom Till Fellner. Und das war nicht nur hier in Wien, sondern auch in New York. Das war für mich schon etwas ganz Besonderes…das muss ich wirklich sagen.

Was macht für sie ein schönes Konzert aus?

Wenn ich involviert bin, dann ist ein schönes Konzert, wenn die ganze Vorbereitung reibungslos verlaufen ist, sei es von der Probeneinteilung, sei es von den Übermöglichkeiten für den Künstler. Wenn auch der Künstler mir im Vorfeld schon sagt, dass es für ihn angenehm sei, hier zu spielen, weil der Saal so großartig sei. Und dass er bereits ein gutes Gefühl habe, obwohl das Konzert noch gar nicht stattgefunden hat. Wenn der Veranstalter den Künstler auf Händen trägt. Bleiben wir im Fach Klavier: Wenn der Künstler glücklich ist, wie das Instrument vorbereitet wurde.

Das bekomme ich auch mit, weil das den Künstler natürlich auch entlastet. Im negativen Fall entsteht bei einem schlechten Flügel einfach eine Spannung, die oft nicht nötig wäre. Es sind aber auch Kleinigkeiten, sogar Banalitäten, die ein Konzert zu einem schönen Konzert machen. Es kann sogar das Obst in der Garderobe sein.

Im negativen Fall entsteht bei einem schlechten Flügel einfach eine Spannung, die oft nicht nötig wäre.

Daran erkennt man, dass sich der Veranstalter Gedanken macht, ohne dass man explizit darauf hingewiesen hat. Das alles erleichtert meine Arbeit und ich sitze zumindest halbwegs entspannt im Konzert – wirklich entspannt bin ich bei eigenen Konzerten nie.

Was ist für Sie der Unterschied zwischen einem Live-Konzert gegenüber einer Musik-Übertragung, vielleicht sogar desselben Konzertes, im Internet?

Oje, im Internet – mag ich gar nicht! Der Unterschied ist hundert zu eins. Ich habe da diese Barriere. Es geht nicht einmal um Streaming. Auch Oper im Fernsehen – das geht nicht. Ich brauche das direkte Erlebnis, diese Unmittelbarkeit. Ich brauche das Mittendrin-unter-Menschen-Sitzen. Das kann auch störend sein, sprich: Husten oder was auch immer. Aber es menschelt. Und im Internet oder auch im Fernsehen ist halt immer diese Wand, auch wenn es nur eine gläserne ist.

Haben Sie persönlich eine Lieblingsmusikrichtung und ein Lieblingsinstrument?

Mein Lieblingsinstrument ist das Cello. Ich vertrete zwar nur eine Cellistin, aber den Klang des Cellos mag ich unglaublich gern. Und an zweiter Stelle kommt dann sofort das Klavier.

…und die Lieblingsmusikrichtung? Da kommen wir wahrscheinlich weg vom Cello…

Oh…jetzt wird´s heikel! Wenn ich mir privat eine CD auflege, dann ist es in 90 Prozent der Fälle The Who, Led Zeppelin, Deep Purple, Beatles, wer auch immer – also eine völlig andere Geschichte. Ich bin ein typisches Kind der 60er Jahre und bin halt mit Rock- und Popmusik aufgewachsen.

Bach oder Rolling Stones? Rolling Stones!

Diese Musik begleitet mich Zeit meines Lebens. Ich gehe nicht oft in Rockkonzerte im Stadion, aber es fasziniert mich, Leute wie Bruce Springsteen zu erleben. Und bei Green Day bin ich ganz hin und weg! Ich glaube, es ist gut und wichtig, dass ich diesen Abstand zu meinem Metier habe. Dort kann mich Musik aus der Renaissance genauso faszinieren wie die Wiener Klassik oder auch die Moderne. Wobei ich schon zugebe, dass ich auch hier ein ziemlicher 08/15-Hörer bin.

Noch mal eine kurze Zusammenfassung: Bach oder Rolling Stones?

Rolling Stones!

Spielen Sie selbst ein Instrument?

Ich habe mich selber einmal in der Schule mit dem Klavier abgeplagt, das war aber erschütternd. Vielleicht rührt daher auch meine grenzenlose Bewunderung für jeglichen Pianisten. Als ich noch nicht involviert war, bin ich ins Konzert gegangen und der Künstler hat sich ans Klavier gesetzt. Mittlerweile weiß ich aber, was da alles dahintersteckt. Ein Instrument, auch wenn es „nur“ ein Klavier ist, kostet ja viel Geld, das muss man sich ja erst einmal leisten können. Und das Dranbleiben und ständige Üben – davor habe ich die allergrößte Hochachtung!

Sie zitieren auf Ihrer Website Sir Thomas Beecham mit den Worten: „Es gibt für ein Orchester zwei goldene Regeln: gemeinsam beginnen und gemeinsam aufhören. Das Publikum schert sich nicht darum, was dazwischen passiert“ und fügen hinzu: „Unser Bemühen ist, dies zu ändern.“

Ich möchte ergänzend behaupten, dass sich das Publikum oft nicht darum schert, ob in einem Konzert ein Flügel nun gut oder schlecht ist, und ich sehe es als meine Mission an, dies zu ändern. Aber zurück zur Frage:

Inwiefern ist es Ihnen in Ihren fast 40 Berufsjahren gelungen, Publikum und Veranstaltern ein Bewusstsein, ein Verständnis für Qualität zu vermitteln?

Ob es mir gelungen ist, wage ich nicht zu beantworten. Aber es ist zu einem Großteil den von mir vermittelten Künstlern gelungen. Egal, ob die jetzt Minetti-Quartett heißen, Paul Lewis heißen oder Till Fellner – vollkommen egal, welche Instrumentalisten es sind: ich merke auch an den Reaktionen des Publikums nach einem Konzert, dass es die Besucher einfach „gepackt“ hat.

Till Dönch und Paul Lewis

Ich merke auch an den Reaktionen des Publikums nach einem Konzert, dass es die Besucher einfach „gepackt“ hat.

…und könnten Sie erklären, warum ein Pianist besser auf einem hervorragenden Instrument spielen sollte als auf einem gewöhnlichen?

Weil es für den Pianisten eine völlig andere Zugangsweise ist, wenn er sich nicht verkrampfen muss und nicht dauernd im Hinterkopf haben muss, wie er was er aus dem Flügel herausholen kann oder muss. Ich bekomme es ja nur zu einem kleinen Teil mit, aber es gibt ja da die skurrilsten Geschichten von Flügeln, die entweder überhaupt nicht oder völlig daneben vorbereitet sind, was dann die meisten Pianistinnen und Pianisten unter Druck setzt. Es spielt sich wesentlich entspannter auf einem guten Instrument und auch die Qualität des Konzertes ist tausend zu eins.

Hand aufs Herz…hören Sie persönlich den Unterschied?

Mittlerweile ja! Ich kann es nicht erklären, woran ich den Unterschied erkenne, aber ja.

Es spielt sich wesentlich entspannter auf einem guten Instrument und auch die Qualität des Konzertes ist tausend zu eins.

Auch völlig unbeeinflusst, ohne vorher mit dem von mir vertretenen Künstler gesprochen zu haben, sitze ich im Konzert und denke: das ist schon ein riesiger Unterschied zu dem, was ich vor einer Woche oder einem Monat in einer anderen Stadt auf einem anderen Flügel gehört habe. Wobei ich es jedoch nicht erklären kann, was genau den Unterschied im Klang ausmacht.

Hat sich in der Zeit ihres Mitwirkens der Musikbetrieb – sowohl vor, als auch hinter der Bühne – verändert?

[überlegt lange] Wie soll ich es sagen…es ist professioneller geworden. Die Veranstalter bieten heute viel mehr als früher. Z.B., dass die armen Künstler nicht mehr in irgendwelchen kalten Kämmerlein sitzen müssen und auch gut verpflegt werden, was ja ein unglaublich wichtiger Bestandteil ist. Das Umfeld in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Konzert, sagen wir 1½ Stunden davor und danach, ist ganz wichtig. Es kann die Tafel Schokolade sein oder das Obst. All diese Details haben sich sehr zum Positiven geändert. Auch gibt es die Attitüde der Veranstalter, „der Künstler soll froh sein, dass er bei mir überhaupt spielen darf“, heute nicht mehr so oft.

Vor der Bühne…da hat sich nicht so viel geändert, finde ich. Nein… [überlegt länger]… Doch, das Publikum hat sich geändert – die Musikliebhaber, die regelmäßig in die Konzerte gehen, sind „wissender“ geworden, als sie früher waren.

Aber das hängt auch mit all den Möglichkeiten zusammen. Ich kann mir heute über YouTube, über Google alles Mögliche an Hintergrundinformationen holen. Und ich finde, das Publikum ist aufmerksamer geworden. Natürlich, diese Deppen, die immer vergessen, ihr Mobiltelefon abzudrehen, die wird es immer geben. Aber generell finde ich, dass das Publikum konzentrierter zuhört. Im Konzert, wohlgemerkt. In der Oper sieht die Sache schon wieder anders aus.

Natürlich, diese Deppen, die immer vergessen, ihr Mobiltelefon abzudrehen, die wird es immer geben.

Ist das Publikum in Österreich, und speziell in Wien, anders als in anderen Ländern?

Ja, schon! Die extremen Beispiele sind für mich, weil ich es überhaupt nicht gewohnt bin, China und die USA. In China haben die Leute überhaupt keine Scheu, raus und rein zu gehen. Das gab es bei uns früher ja nicht einmal im Kino. Heute aber, ich war gerade im neuen James Bond, ist auch bei uns im Kino ein ständiges Kommen und Gehen. Die Leute holen sich Cola, Popcorn usw. – Mich nervt das. In China habe ich dieses ständige Kommen und Gehen auch in den Konzerten erlebt. Dort wird auch völlig ungeniert ein Mobiltelefon abgehoben. Und in den USA ist das Publikum wieder anders. Die Amerikaner sind z.B. viel schneller dabei, Standing Ovation zu geben. Ich freue mich dort immer für die Künstler. Bei uns ist man da schon viel zurückhaltender. Da muss jemand schon ganz besondere Leistungen gezeigt haben. Das muss nicht unbedingt im direkten Zusammenhang mit dem Konzert stehen. Auch wenn ein Künstler über 30, 40 Jahre eine unglaubliche Karriere hat, wird dies bei uns mit Standing Ovation gewürdigt. Und auch hier muss man wieder unterscheiden zwischen klassischem Konzert und der Oper. In der Oper sind die Leute viel enthusiastischer.

Haben sich die Künstler verändert?

Ich glaube schon, dass sich die Künstler verändert haben. Nämlich in ihrem Zugang zu ihrer Kunst. Im Sinne von „wie gestalte ich meine Karriere“ oder „wie komme ich überhaupt an die Öffentlichkeit“. Hier kommen wir wieder auf das Thema „Soziale Medien“ zurück. Es hat sich auch dahingehend verändert, als dass das Gros der Künstler sich selber um ihren Auftritt in den Sozialen Medien kümmert.

Man ist heute so schnell mit Superlativen bei der Hand. Jeder ist heute der Beste, Jüngste, Schnellste.

Erst später, wenn die Karriere richtig läuft, wird ihnen diese Arbeit abgenommen, wenn sich z.B. das Plattenlabel um die Pflege der Website kümmert. Insgesamt ist es am Anfang der Karriere für die jungen Künstler schwerer geworden, weil die Konkurrenz viel größer ist. Man ist heute so schnell mit Superlativen bei der Hand. Jeder ist heute der Beste, Jüngste, Schnellste. Und auch eine Agentur zu finden, die die Knochenarbeit nicht scheut, unbekannte Talente anzupreisen, ist für junge Künstler viel schwieriger als früher. Doch die Talente selbst sind so zahlreich und so vielfältig vorhanden und kommen heute oft aus Kulturkreisen, die wir früher noch nicht in unserem Fokus hatten. Aber auch das ist unglaublich bereichernd.

Sie werden in absehbarer Zeit in den verdienten Ruhestand gehen: Ist es für Sie überhaupt möglich, ohne die Musik, ohne Ihre Künstler zu leben?

…also „verdient“, das weiß ich jetzt nicht…

…das Wort habe ich gerade spontan aus Höflichkeit eingefügt…

Danke, bin gerührt! Ich gehe am 1. Jänner offiziell in Pension, aber ich schmeiß nicht alles hin. Für ein paar wenige Künstler, Till Fellner, Paul Lewis, da mach ich weiter, das ist schon mal sicher. Für Marc-André Hamelin wahrscheinlich auch, ebenso für den jungen Geiger Benjamin Herzl. Aber abgesehen davon kann ich es mir gut vorstellen, dass ich mir die Programme von Musikverein, Konzerthaus und anderen Veranstaltern anschaue und mir ganz bewusst Konzerte herauspicke, die ich mir dann anhöre, ohne involviert zu sein. Was ich mir nicht vorstellen kann, ist, am 1. Jänner ganz aufzuhören. Ich fürchte, dass ich einer derjenigen wäre, der mit sich nichts anzufangen wüsste, trotz aller Pläne, die ich jetzt habe, was ich jetzt tun möchte. Ich bin eh nicht sicher, ob ich die Freiräume, die ich ab kommender Saison gewinne, weil ich um so viel weniger Künstler vertrete, nicht ohnehin wieder in meine verbliebenen Künstler investiere und die Veranstalter nur noch mehr quäle, als ich es jetzt tue.

…das ist für unsere zukünftige Zusammenarbeit im Rahmen des piano duo Projekts eh perfekt, wenn am Schluss drei Pianisten bleiben…

Wenn Sie sich heute noch einmal entscheiden könnten: Was wären Sie lieber geworden: Künstlermanager oder Musiker? Oder vielleicht doch lieber Geheimagent? Und warum?

Geheimagent! Einer der ersten James Bond Filme war mit Ursula Andress, da war ich natürlich sofort verknallt…so, ich versuche, mich wieder auf die Frage zu konzentrieren… Manager oder Künstler? Ich glaub, Manager. Sich diesem Druck auszusetzen, allein dieser Schritt aufs Podium – Wahnsinn!

Till Dönch - Volksoper, ca. 1976, Franz von Suppé - Boccaccio

Sich diesem Druck auszusetzen, allein dieser Schritt aufs Podium – Wahnsinn!

Ich hab mit Begeisterung drei Jahre an der Volkssoper Komparserie gemacht. Und da gab es manchmal auch so kleine solistische Auftritte, die ohne Worte waren. Es war toll, das Adrenalin zu spüren, aber selbst da habe ich immer gedacht: ich brauch das nicht dauernd… Also doch lieber Geheimagent!

Welche privaten Pläne haben Sie für Ihre „neue Freiheit“?

Ach Gott! Das ist relativ einfach und auch völlig banal: Das eine ist das Abarbeiten von sich stapelnden Bücherbergen. Es gibt so viel, was ich zu lesen habe. Literatur ist immer eines meiner Steckenpferde gewesen.

…welches wäre das nächste Buch?

Das Buch heißt: „Wie man ein Auto baut“ von Adrian Newey. Das ist ein Formel 1-Rennwagen-Konstrukteur. Hätte die vorige Frage gelautet: „Was war ihr Traumberuf?“, dann hätte ich geantwortet: Auto-Rennfahrer!

Früher bin ich auch nach Brands Hatch, zum Nürburgring, zum Österreichring gefahren. Das war zu den Zeiten von Jochen Rindt und den Anfängen von Niki Lauda. Die Faszination hat mich nie ganz losgelassen. Ich bin zwar ein völliger technischer Trottel, aber es fasziniert mich, solche Dinge auch zu lesen, um eine Idee zu bekommen, was dahinter steckt.

Ich bin ein völliger technischer Trottel.

…wird also das Reisen zu den Formel 1-Rennen auch auf der Liste der privaten Pläne stehen?

Das ist eine gute Frage! Ich glaube nicht. Dazu kann ich Renate, meine Frau, nicht überreden. Und wenn ich das machen würde, dann würde ich so etwas auch gerne mit ihr teilen. Das Reisen ist aber auch ein Punkt auf der Liste. Es gibt noch ein paar Flecken auf der Landkarte, die ich gerne sehen möchte. Dazu gehören Japan und Argentinien. Dort war ich einmal, und es hat mich so begeistert, dass ich das unbedingt wieder machen möchte. Und dann möchte ich auch einen Ruderkurs auf der Alten Donau machen, weil ich diese Bewegung so klasse finde. Und ich möchte mir alle Lieder von Bob Dylan, Dolly Parton und Leonard Cohen anhören, mit den Texten vor der Nase. Aber dazu muss ich sehr, sehr alt werden, denn allein Bob Dylan hat über 600 Lieder geschrieben.

…Das sind schon viele Pläne…Ha! Und noch etwas! Kochen lernen! Jetzt wird gekocht! Nicht nur immer essen gehen…

Ha! Und noch etwas! Kochen lernen! Jetzt wird gekocht! Nicht nur immer essen gehen…

Was ist Ihr Leibgericht?

Ich bin ein großer Freund von Pasta. In Pasta kann ich mich schon eingraben, in allen Variationen.

Werden wir Sie weiterhin bei dem einen oder anderen Konzert treffen?

Auf jeden Fall!

Was wünschen Sie dem klassischen Musikbetrieb für die Zukunft?

Weniger Mobiltelefone in den Konzerten! Und, dass sich der Musikbetrieb wieder mehr auf das Live-Konzerterlebnis und weniger auf die Konserve konzentriert. Natürlich ist es schön, wenn man die Möglichkeit hat, zuhause vor der Stereoanlage zu sitzen. Aber nichts kann ein Live-Erlebnis ersetzen.

Till Dönch, herzlichen Dank für das Gespräch!