Pierre-Laurent Aimard hat sich vor Jahren zum Ziel gesetzt, eine Auswahl der Játékok („Spiele“) von György Kurtág im Beisein und mit dem Plazet des Komponisten aufzunehmen.
Letzte Vorbereitungen vor den ersten Klängen: Pierre-Laurent Aimard am 353018 und Benedikt Schröder, Aufnahmeleiter & Toningenieur
Bereits 2022 trafen sich Gyorgy Kurtág, Pierre-Laurent Aimard und unser 353018 in Budapest, um im BMC (Budapest Music Center) erste, relativ junge Játékok einzuspielen. Von der Qualität dieser sehr intensiven Zusammenarbeit inspiriert und motiviert, entschlossen sich die beiden Ausnahmekünstler damals, der ersten Aufnahme weitere „Spiele“ nachfolgen zu lassen und in der Zeit ihrer Entstehung weiter zurückzugehen.
„Játékok" sind kurze, teilweise nur aus wenigen Noten bestehende, scheinbar für jeden Laien gut spielbare Stücke. Im Laufe der Zeit haben sich viele KünstlerInnen daran versucht – aber nur ganz selten ernteten die Aufnahmen die Anerkennung des Komponisten.
Der Aufnahmeleiter als Vermittler zwischen Pianist und Komponist: Benedikt Schröder
„Játékok", das ist keine banale Abfolge von Noten, Tönen und Klängen in einem bestimmten zeitlichen Ablauf und in einer oft sehr geringen Lautstärke. Jedes dieser „Spiele“ erzählt eine ganz eigene, reale Geschichte:
Die Noten, ihre Klänge und die Zeit, die sie umgibt, sind wie Worte und Skizzen in einem Tagebuch: Sie beschreiben die Protagonisten, d.h. real existierende Personen in einer meist realen Situation und geben deren Handlung, ihre Worte und die in diesem Moment vorherrschende Stimmung minutiös wieder.
Jedes Stück ist wie eines dieser gestochen scharfen Schwarzweiß-Fotos aus einer längst vergangenen Zeit. Und nur der Fotograf selbst kennt die längst vergangenen Frauen und Männer, die Häuser und die Straßen noch aus seiner Erinnerung und seinem persönlichen Erleben.
Wahrheitsgetreue Erzählung mit dem 353018: Handschriftliche Eintragungen in den Noten beschreiben die Geschichten, die die Musik erzählt
Doch anders als auf diesen alten Fotos leben die Personen in den „Játékok" von György Kurtág noch: sie lieben und leiden – und sie sprechen miteinander. Und jede auch nur im Ansatz andere Artikulation eines Tones, ein anderer Atmen seines Klanges, oder ein um eine Tausendstel Sekunde anderes Timing verändert für den Komponisten die Geschichten, die teilweise viele Jahrzehnte zurückliegen, bis hin zur Unkenntlichkeit.
Die Herausforderung für den Pianisten lag also nicht darin, die richtigen Noten zu spielen, sondern die Noten richtig zu spielen und so die Geschichten detail- und wahrheitsgetreu wiederzugeben.
Man versteht jetzt, warum es für Pierre-Laurent Aimard so wichtig war, das wahrlich authentische Zeugnis der „Játékok“ und ihrer Geschichten im Beisein ihres Schöpfers und ihres wohl einzigen noch lebenden Zeitzeugen abzulegen.
Glückliche Zeitzeugen einer unglaublichen Geschichte v.l.n.r.: Renaud Loranger (Vice President Artists & Repertoire, PENTATONE), György Kurtág, Pierre-Laurent Aimard, Stefan Knüpfer, Benedikt Schröder